10 Jahrzehnte, 10 Fragen an ...

Toulu Hassani

© Volker Crone

Toulu Hassani, geboren 1984 in Ahwaz (Iran), lebt und arbeitet in Hannover. Mehr Information auf der Webseite der Künstlerin.

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In einem Satz: Was ist für mich Konkrete Kunst?
Konkrete Kunst ist meinem Verständnis nach gegenstandslose Kunst, die nur sich selbst bedeuten und frei von intuitivem oder emotionalem Ausdruck sein will.

Verstehe ich mich selbst als Vertreter*in der Konkreten Kunst?
Es gibt definitiv viele formale Überschneidungen. Jedoch ist mein Ansatz ein anderer. Mir ist es wichtig, während des Malens intuitive Entscheidungen zu treffen und zu Bildern zu finden, die sich weit und assoziativ lesen bzw. erfahren lassen können.

Wer ist mein(e) Lieblingskünstler*in im Bereich der Konkreten Kunst? Welche der Konkreten Kunst zuzurechnende Position hat mich am stärksten geprägt / beeindruckt? Welche Pionier*innen der Konkreten Kunst empfinde ich als Vorbild?
Ich habe in der Konkreten Kunst keine Vorbilder. Generell würde ich nie von Vorbildern sprechen, sondern eher von Künstler*innen, die mich beeindrucken und etwas in mir auslösen, mich berühren. Von den Vertretern der Konkreten Kunst finde ich Hans Arp am interessantesten. Insbesondere seine Reliefs und sein Umgang damit, wie Malerei die Leinwand verlassen kann, inspirieren mich.

Was war mein erster Kontakt mit Konkreter Kunst?
Wahrscheinlich die Malerei von Malewitsch. Aber auch sehr früh die Werke von Hans Arp im Sprengel Museum Hannover.

Haben die Anfänge der Konkreten Kunst einen direkten Einfluss auf meine eigene künstlerische Arbeit?
Im indirekten Sinn. Ich denke, die Künstler*innen der Konkreten Kunst haben einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Kunst gehabt und somit sicher sehr viel eröffnet und unsere Sichtweise auf Kunst im vergangenen Jahrhundert erweitert. Insofern hat sie in jedem Fall Einfluss auf mich als Künstlerin gehabt. Es sind jedoch eher Werke nachfolgender Generationen wie Sol Lewitt, Robert Ryman, Agnes Martin und Bridget Riley, die bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Doch ebenso auch Künstler*innen, die gegenständlich arbeiten. Ich bin nicht fixiert auf gegenstandslose Kunst.

Welche Prinzipien der Konkreten Kunst prägen meinen künstlerischen Ansatz am stärksten?
Vermutlich die Präzision. Und wie Farbe und Form zusammen einen visuell sinnlichen Reiz auslösen können. Losgelöst von etwas Verweisendem. Das ist zumindest in einem Großteil meiner Malerei so.

Farbe, Form oder Linie? Welches grundlegende künstlerische Ausdrucksmittel der Konkreten Kunst ist mir am wichtigsten?
Alle drei Komponenten sind formale Mittel in meiner Malerei. Ich sehe sie jedoch mehr als äußere Form des Bildes.

Die Manifeste der Pionier*innen der Konkreten Kunst sind für mich

  1. Längst überholt
  2. Auch heute unverändert gültig
  3. Viel zu dogmatisch
  4. Von keinerlei Relevanz
  5. In ihrer Zeit bahnbrechend
  6. Immer eine Inspirationsquelle
  7. Nicht radikal genug
  8. Andere Einschätzungen: x
    Die Manifeste der Pionier*innen der Konkreten Kunst sind für mich aus heutiger Sicht sowohl dogmatisch als auch überholt. Der den Manifesten zugrundeliegende Fortschrittsglaube und der Wunsch nach Eindeutigkeit hat unsere Welt in den vergangenen Jahrzehnten nicht wirklich zu einem besseren Ort gemacht. Ich denke, wir sind an einem Punkt angelangt, an dem es zu hinterfragen gilt, wie und mit welchen (technologischen) Mitteln wir Zukunft weitergestalten möchten. Ein Innehalten, Überdenken und vor allem Anerkennen, dass Eindeutigkeit in einer globalisierten, hochkomplexen Welt keine Option mehr ist, sind für mich wichtiger.
    Was die Kunst betrifft, so sehe ich diese viel eher offen und facettenreich. Es gibt für mich nicht die eine wahrhaftige Kunstform/-richtung, die ein Manifest braucht.
     

Zum 100. Geburtstag: Wo sehe ich die Konkrete Kunst in 100 Jahren?

  1. Die tonangebende Richtung innerhalb der bildenden Kunst
  2. Nicht mehr als eigene, klar abgegrenzte Kunstrichtung zu erkennen
  3. Unverändert von großer Bedeutung
  4. In heute noch nicht vorhersehbaren Ausprägungen und Medien
  5. Andere Einschätzungen: x
    Wie ich bereits erläutert habe, denke ich, dass die Konkrete Kunst einen großen Einfluss auf die Entwicklung von Kunst hatte und hat. Ich glaube aber viel eher, dass sich die verschiedenen Disziplinen und Stile miteinander und ineinander entwickeln. Konkrete Kunst kann sich, so stelle ich es mir vor, genauso wenig wie alles andere der Entropie verwehren.
     

Und? Braucht es den Begriff Konkrete Kunst (überhaupt) noch?
Ich denke, es fließen so viele Richtungen und Ideen von Kunstverständnissen zusammen, dass ich Kunst vor allem als etwas sehr Offenes und Freies sehe. Gerade Kunst bietet ja die fantastische Möglichkeit, gleichzeitig vieles zusammenbringen und nicht eindeutig sein zu müssen.