10 Jahrzehnte, 10 Fragen an ...

Anna-Maria Bogner

© Bianca Henderson

Anna-Maria Bogner, geboren 1984 in Schwaz / Tirol, lebt und arbeitet in Düsseldorf und Wien. Mehr Information auf der Webseite der Künstlerin.

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In einem Satz: Was ist für mich Konkrete Kunst?
Sprache.

Verstehe ich mich selbst als Vertreter*in der Konkreten Kunst?
Ich sehe mich der Konkreten Kunst verbunden. Dennoch folgt mein theoretischer Ansatz nicht den Vorgaben der frühen Konkreten, die ja bewusst „formale Gegebenheiten“ der Sinne und Gefühle ausschlossen, geht es mir doch gerade um die Beobachtung und die Auseinandersetzung mit der Konstruktion, speziell der sozialen Konstruktion von Raum.

Wer ist mein(e) Lieblingskünstler*in im Bereich der Konkreten Kunst? Welche der Konkreten Kunst zuzurechnende Position hat mich am stärksten geprägt / beeindruckt? Welche Pionier*innen der Konkreten Kunst empfinde ich als Vorbild?
Eine Lieblingskünstlerin oder einen Lieblingskünstler gibt es für mich nicht. Ebenso gibt es nicht ein Vorbild oder eine Pionier:in. Es sind die verschiedenen Auseinandersetzungen, die vielleicht ähnliche Annahmen erforschen, jedoch eigenständig und aus der jeweiligen Perspektive zu neuen Fragestellungen führen. Jede Zeit hat ihre ganz eigene Gegenwart, ihre ganz eigene unmittelbare Zukunft, sowie Vergangenheit. Eine Frage kann unendlich viele Male gestellt werden, doch in jeder Zeit trifft sie auf eine andere Gegenwart und in jeder Gegenwart auf eine:n andere:n Autor:in sowie auf viele unterschiedliche Leser:innen und wird somit immer wieder zur einzigartigen Auseinandersetzung. Fragen verändern sich durch die Menschen, die sie stellen, und bleiben somit nie ein und dieselben.
Ich habe viel darüber nachgedacht, wen es hier zu nennen gilt: Künstler:innen, die die Anfänge der Konkreten Kunst markieren, und/oder Künstler:innen, die für mich, in ihrem Tun bahnbrechend waren und es noch sind, Künstler:innen mit denen ich mich über die Auseinandersetzung und / oder durch Freundschaft verbunden fühle. Ich habe mich dazu entschlossen, eine kleine Mischung zu nennen – eine kleine Reise durch die Zeit –, wenn man so will:
Eileen Gray (1878–1976, IRL), Agnes Martin (1912–2004, USA), Lina Bo Bardi (1914–1992, IT/ BRA), Lygia Clark (1920–1988, BRA), Vera Molnar (1924, HU), Heinz Gappmayr (1925–2010, AT), Stanislav Kolíbal (1925, CZ), Lygia Pape (1927–2004, BRA), Channa Horwitz, 1932–2013, USA), Irma Blank (1934–2023, DE/IT), Dora Maurer (1936, HU), Hellmut Bruch (1936, AT), Janos Megyik (1938, HU), Hartmut Böhm (1938–2021, DE), Inge Dick (1941, AT), Gerhard Frömel (1941, AT), Linda Karshan (1947, USA/UK), Lydia-Okumura (1948, BRA), Alke Reeh (1960, DE), Friederike Feldmann (1962, DE), Haleh Redjaian (1971, DE), Simon Ingram (1971, NZ), Anita Leisz (1973, AT), Esther Stocker (1974, IT/AT), Lars Breuer (1974, DE), Julia Bünnagel (1977, DE), Frauke Dannert (1979, DE), Anna Szprynger (1982, PL), Carla Chaim (1983, BRA), Denise Winter (1983, DE), Marie Ogoshi (1984, JP/DE), Zora Kreuzer (1986, DE), Paulina Hoffmann (1994, DE) und viele weitere.

Was war mein erster Kontakt mit Konkreter Kunst?
Das Erlebnis, eine künstlich geschaffene Situation unmittelbar, durch die eigene Bewegung im Raum, bewusst wahrnehmen zu können – die Präsenz vom Körper im Raum (Kindheitserinnerung: der Besuch der Frauenkirche in München mit etwa 12 Jahren).

Haben die Anfänge der Konkreten Kunst einen direkten Einfluss auf meine eigene künstlerische Arbeit?
Nein. Und doch gehe ich davon aus, dass alles, was vor uns war, heute ist und zukünftig sein wird, auf jeden von uns Einfluss nimmt. Bewusst sowie unbewusst.

Welche Prinzipien der Konkreten Kunst prägen meinen künstlerischen Ansatz am stärksten?
Auch die Konkrete Kunst hat viele Ansätze ausgebildet. Ich möchte mich keiner Schule oder Richtung zuordnen, dennoch hege ich Sympathien für den holistischen Ansatz der Neokonkreten.

Farbe, Form oder Linie? Welches grundlegende künstlerische Ausdrucksmittel der Konkreten Kunst ist mir am wichtigsten?
Die Linie.

Die Manifeste der Pionier*innen der Konkreten Kunst sind für mich

  1. Längst überholt
  2. Auch heute unverändert gültig
  3. Viel zu dogmatisch
  4. Von keinerlei Relevanz
  5. In ihrer Zeit bahnbrechend x
  6. Immer eine Inspirationsquelle
  7. Nicht radikal genug
  8. Andere Einschätzungen: x
    Entwicklungsfähig.
     

Zum 100. Geburtstag: Wo sehe ich die Konkrete Kunst in 100 Jahren?

  1. Die tonangebende Richtung innerhalb der bildenden Kunst
  2. Nicht mehr als eigene, klar abgegrenzte Kunstrichtung zu erkennen
  3. Unverändert von großer Bedeutung
  4. In heute noch nicht vorhersehbaren Ausprägungen und Medien x
  5. Andere Einschätzungen:
     

Und? Braucht es den Begriff Konkrete Kunst (überhaupt) noch?
Eine künstlerische Zuordnung kann hilfreich für unser Tun sein, jedoch auch hinderlich, vor allem wenn sie zum Gelübde wird.